#2 gebrauchte Anweisungen

Kürzlich habe ich bei meiner Kollegin im Vorbeigehen eine Kiste mit der Beschriftung „Gebrauchte Anweisungen“ entdeckt. Nun ja, besagte Kollegin war bereits im arbeitsfähigen Alter, als Büros noch analog ausgestattet waren. Dennoch löste die Vorstellung von „Gebrauchten Anweisungen“ bei mir ähnliche Bilder aus, wie die Lektüre von Kafkas „Der Prozess“ oder Szenen aus Jaques Tatis „Mon Oncle“. Sammelt meine Kollegin Anweisungen, die sie einmal erhalten hat? Falls ja, bedeutet „gebraucht“, sie hat sie mindestens einmal ausgeführt? Wird die Kiste regelmäßig geleert? Gibt es ebenfalls eine Kiste für „ungebrauchte“ oder gar „unbrauchbare“ Anweisungen? Oder werden diese direkt entsorgt? Gehört die Kiste am Ende dem Chef – er greift ab und an mal hinein und zieht eine gebrauchte Anweisung heraus? Vielleicht hat der Chef einst eine Management-Methode erlernt, die besagt: „Geben Sie täglich x Anweisungen heraus, so festigen Sie Ihre Position!“ Schlau, wenn man dann eine solche Kiste hat.

Schade eigentlich, dass sich der tatsächliche Inhalt als „Gebrauchsanweisungen“ herausstellte, aus der Zeit vor „Digital Manuals“. Der gleichen Zeit entstammt auch die Beschriftungstechnik, die aus retrocharmanten Gründen wieder modern wurde, samt ihrer Schwachstellen.

#Tellerstories sind unregelmäßig erscheinende kleine Geschichten oder Anekdoten, die am Esstisch der tat.sache entstehen oder erzählt werden.